Die aktuellen Zahlen sind erschütternd: Etwa elf Millionen Tonnen an Lebensmittelabfällen entstehen jedes Jahr in Deutschland. Am heutigen Tag der Lebensmittelverschwendung startet das Bundesamt für Ernährung und Landwirtschaft deshalb erneut in die Aktionswoche „Zu gut für die Tonne“, um die Menschen für einen bewussten Umgang mit Lebensmitteln zu sensibilisieren. Auch ich versuche, mich nachhaltig zu ernähren, und habe das heutige Datum zum Anlass genommen, eine App auszuprobieren, mit der man Lebensmittel retten kann, die sonst im Abfall landen würden. Eine Woche lang habe ich „Too Good To Go“ getestet und geprüft: Kann ich mich sieben Tage lang nur mit Angeboten aus der App über Wasser halten?
So möchte Too Good To Go Lebensmittelverschwendung reduzieren
Seit 2015 haben es sich die dänischen Gründer der App Too Good To Go zur Aufgabe gemacht, Lebensmittel zu retten. Zu Beginn stand der Wunsch, etwas gegen die „massive Lebensmittelverschwendung“ in Dänemarks Restaurants zu tun. Von Kopenhagen aus eroberte die App nach und nach den Globus. Nachdem sie zunächst auch in Norwegen, Großbritannien und Frankreich an den Start ging, gibt es sie mittlerweile in 18 Ländern Europas und Nordamerikas.
Die Idee: Restaurants, Supermärkte und Cafés erstellen Angebote für überschüssige Lebensmittel oder Speisen, die Nutzer für einen geringen Geldbetrag erwerben können. So weit, so gut. Ich habe mir die App heruntergeladen, die Bedienung scheint erst einmal unkompliziert: Nachdem ich mir ein Konto eingerichtet habe, sehe ich Angebote in meiner Nähe, kann die Suche aber auch ausweiten oder von einem anderen Standpunkt aus starten. Wiederkehrende Angebote, die mir besonders gefallen, kann ich als Favoriten speichern.
Beliebte Angebote sind meist sofort ausverkauft
Schnell entdecke ich einige meiner Lieblingssupermärkte und Cafés, die ich schon kenne und gerne besuche. Leider steht dort immer wieder: ausverkauft. Ich solle doch noch einmal heute Abend oder morgen zu einer bestimmten Uhrzeit wieder vorbei schauen. Gesagt, getan. Ich stelle mir sogar einen Wecker, um das nächste Angebot nicht zu verpassen. Aber selbst, als ich pünktlich zu besagter Uhrzeit wieder in die App schaue, erscheint erneut der Hinweis „ausverkauft“.
Nun gut, dann muss ich mich eben von meinen gastronomischen Favoriten verabschieden und meine Suche erweitern. Das ist aber gar nicht so leicht: Im direkten Umfeld meiner Wohnung finde ich zwar diverse Backshops und Bäckereien, darunter auch bekannte Ketten, die mir ihre übriggebliebenen Waren anbieten. Aber die Supermärkte haben entweder „heute leider nichts“ oder sind wieder einmal „ausverkauft“. Das hatte ich mir irgendwie ein bisschen leichter vorgestellt.
Gekaufte Lebensmittel von teils mangelhafter Qualität
Na gut, dann eben doch erst einmal Backwaren: Bei einem Bio-Supermarkt rette ich am Samstag für fünf Euro fünf Brötchen, zwei Croissants, zwei Schoko- und ein Laugensplitterbrötchen. Die geretteten Lebensmittel von Too Good To Go muss ich direkt beim Anbieter abholen, was unkompliziert funktioniert. Gezahlt wird über die App im Voraus, die Bestätigung zeige ich dann vor Ort. Das meiste meiner Backwaren friere ich erst einmal ein, eine kleine Auswahl gönne ich mir am nächsten Tag zum Frühstück. Die Brötchen sind von sehr guter Qualität, sie wirken noch ziemlich frisch und schmecken. Ich bin zufrieden und motiviert, weiterzumachen.
Wenn ich schon bei den stationären Supermärkten kein Glück habe, gebe ich am Montag wenigstens einem bekannten Online-Supermarkt eine Chance. Ich zahle 6,69 Euro und bekomme dafür 400 Gramm Putengeschnetzeltes, drei Packungen vegetarische Maultaschen, eine Ananas, eine Packung Birnen, 400 Gramm Kirschtomaten, einen veganen Joghurt und eine Tüte grüne Bratpaprika. Meine anfängliche Freude über die große Auswahl wird allerdings schnell getrübt, als ich mir die geretteten Lebensmittel näher ansehe.
Die Birnen sind schon sehr weich und teilweise muss ich matschige Stellen wegschneiden. Gleiches gilt für die Ananas. Die Bratpaprika sind zum Teil bereits vertrocknet, sodass ich auch davon einige aussortieren muss. Das Mindesthaltbarkeitsdatum vom Geschnetzelten ist am nächsten Tag erreicht. Ich verschenke es an Nachbarn, da ich es nicht so schnell verbrauchen kann.
Gut zu wissen: Muss man Lebensmittel, die schimmeln, entsorgen? Wir erklären, ob du Schimmel bei Käse abschneiden kannst und wie du mit schimmeligem Brot umgehen solltest.
Montagabend schaue ich noch einmal in die App, und siehe da: Endlich schaffe ich es, Donuts von einem veganen Berliner Café zu retten. Ich bin schon sehr gespannt und radele am nächsten Tag nach der Arbeit beim Café vorbei, um eine Zimtschnecke und drei Donuts mit Topping abzuholen. Für die vier Teilchen bezahle ich sechs Euro. Wenn man bedenkt, dass ein Donut, den man dort im regulären Tagesgeschäft kauft, mehr als drei oder vier Euro kostet, ist das zumindest eine kleine Ersparnis.
Die Lage bestimmt bei Too Good To Go das Angebot
Am Donnerstag ändere ich meinen Standort für die Suche, denn ich möchte etwas für meine Mittagspause im Büro retten. Viele Hotels bieten über die App Reste ihres Frühstücksbuffets an, darum kaufe ich für je 4,50 Euro zwei vegane Frühstücksboxen für eine Kollegin und für mich. Zwischen 10:30 Uhr und 11:00 Uhr müssen wir diese abholen. Auch dieses Mal funktioniert alles wieder ganz unkompliziert. In jeder Box befinden sich zwei kleine Laugen- und ein kleines Käsebrötchen, eine Portion gebratene grüne Bohnen, circa zehn Falafel, ein Apfel und eine Pflaume. Gurken- und Paprikascheiben sowie ein Stück Margarine sind ebenfalls dabei. Natürlich sind die Bohnen und die Falafel schon kalt, aber wir wärmen sie einfach in der Mikrowelle auf.
Die Änderung des Suchradius‘ zeigt: Je nachdem, wo man sich befindet, werden einem zum Teil vollkommen unterschiedliche Angebote auf Too Good To Go angezeigt. In Berlin Mitte etwa bekommt man aufgrund der hohen Hoteldichte viele Reste von Frühstücks- oder Mittagsbuffets ausgespielt. Meine Schwester nutzt die App häufig in der Nähe des Kölner Hauptbahnhofes und findet daher viele arabische Supermärkte, die ihre übrigen Lebensmittel verkaufen. Wer sich allein über die App versorgen möchte, muss viel Zeit in die Recherche investieren und mitunter längere Wege in Kauf nehmen, um bestimmte Angebote abzuholen. Ich selbst kann in dieser Woche nicht ganz auf reguläre Einkäufe verzichten.
Dass Apps wie Too Good To Go überhaupt nötig sind und offenbar viel zu viele Lebensmittel produziert werden, ist noch einmal ein völlig anderes Thema. Eine Möglichkeit, diese nicht zu entsorgen, sind die Rettungsangebote auf jeden Fall. Ich werde auch zukünftig immer mal wieder darauf zurückgreifen, denn ein bisschen ist die Nutzung auch wie ein Spiel: Mein Ehrgeiz bei der Jagd nach Lebensmitteln, die gerettet werden können, wird dabei definitiv geweckt.